Wieso Arbeitnehmerüberlassung Freelancern schadet

Orell Garten
4 min readAug 19, 2024

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In den letzten Jahren wird die Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) verstärkt als Alternative zum klassischen Freelancing propagiert. Unternehmen und Vermittler werben dabei mit vermeintlichen Vorteilen für Freelancer, wie einer größeren Sicherheit und stabileren Einkommensverhältnissen.

Es wird oft suggeriert, dass ANÜ eine attraktive Möglichkeit sei, um die Unsicherheiten der Selbstständigkeit zu umgehen und dennoch flexibel arbeiten zu können. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass diese Form der Beschäftigung zahlreiche Nachteile mit sich bringt, die im Widerspruch zur eigentlichen Motivation vieler Freelancer stehen, nämlich der Freiheit und Unabhängigkeit in ihrer Arbeit.

Was ist Arbeitnehmerüberlassung?

Arbeitnehmerüberlassung, auch Leiharbeit oder Zeitarbeit genannt, ist ein Arbeitsverhältnis, das in der Regel befristet ist. Bei dieser Art der Beschäftigung wird ein Arbeitnehmer von einem Verleihunternehmen an ein anderes Unternehmen, das Entleihunternehmen, „ausgeliehen“. Die Strukturen der Arbeitnehmerüberlassung ähneln dabei stark denen einer klassischen Festanstellung. Der ausgeliehene Arbeitnehmer unterliegt den Weisungen der entleihenden Unternehmens und arbeitet typischerweise in dessen Räumlichkeiten, zu dessen Arbeitszeiten und nach dessen Vorgaben.

Entgegen der oft angebrachten Argumente, liegt ein großes Problem der Arbeitnehmerüberlassung jedoch darin, dass sie die Nachteile einer Festanstellung mit sich bringt, ohne aber deren Vorteile zu bieten. So genießt man als Leiharbeiter zwar keine große Arbeitsplatzsicherheit, muss sich jedoch an die festen Strukturen des Entleihunternehmens halten.

Dies führt zu einer prekären Situation für die Arbeitnehmer, da sie oft nur über geringe Planungssicherheit verfügen und dennoch den vollen Verpflichtungen eines festen Arbeitsverhältnisses nachkommen müssen.

Wodurch zeichnet sich Freelancing aus

Als Freelancer hingegen zeichnet man sich durch eine selbstständige Arbeit als Experte in einem bestimmten Bereich aus. Das Verhältnis zwischen meinen Kunden und mir als Freelancer ist grundsätzlich ein B2B Verhältnis.

Dies bietet eine hohe Flexibilität, da ich meine Arbeit frei und unabhängig einteilen kann, vor allem hinsichtlich Ort und Zeit. Als Freelancer bin ich nicht an feste Arbeitszeiten oder einen bestimmten Arbeitsort gebunden, was mir die Freiheit gibt, meinen Arbeitstag nach meinen eigenen Bedürfnissen und Vorlieben zu gestalten.

Darüber hinaus kann ich Projekte annehmen, die meinen Fähigkeiten und Interessen entsprechen, und meine Vergütung selbst festlegen. Diese Unabhängigkeit ermöglicht es mir, meine beruflichen Ziele gezielt zu verfolgen und meine Karriere nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Dadurch kann ich nicht nur meine Expertise in verschiedenen Projekten einbringen, sondern auch meine persönliche und berufliche Weiterentwicklung steuern.

Warum ANÜ für Freelancer ein Problem ist

Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) stellt für mich und auch alle anderen Freelancer ein erhebliches Problem dar.

Wir sind aus Überzeugung selbstständig, da wir die Freiheit schätzen, unsere Arbeit nach unseren eigenen Vorstellungen und Bedingungen zu gestalten. Bei der ANÜ müssen wir jedoch unsere selbstständige Tätigkeit stark einschränken, da wir in dieser Zeit als Angestellte arbeiten. Dies widerspricht der Motivation vieler Freelancer, die gerade die Unabhängigkeit und Flexibilität suchen.

Ein weiteres Problem ist, dass die laufenden Kosten unserer Selbstständigkeit während der ANÜ weiterhin anfallen, ohne dass wir diese gegen unser Einkommen verrechnen können. Dadurch entstehen finanzielle Nachteile, die in einer echten Festanstellung nicht auftreten würden. Zudem verlieren wir bei der ANÜ die Möglichkeit, frei zu unseren eigenen Bedingungen zu arbeiten. Es gibt keine Aufstiegsmöglichkeiten, wie sie in einer festen Anstellung üblich wären, und dennoch bleiben wir als externe Mitarbeiter ohne die Vorteile einer vollständigen Integration ins Unternehmen.

Trotz unserer temporären Anstellung müssen wir nach Ende des Projekts weiterhin nach Anschlussprojekten suchen, was die Unsicherheit und den Aufwand erhöht. Letztlich vereint ANÜ die Nachteile sowohl einer festen Anstellung als auch einer selbstständigen Tätigkeit, ohne die jeweiligen Vorteile in irgendeiner Form auszuspielen.

Was wir gegen ANÜ tun können

Um uns gegen die Nachteile der Arbeitnehmerüberlassung zu wehren, können wir als Freelancer verschiedene Maßnahmen ergreifen. Eine der effektivsten Strategien ist es, keine ANÜ-Projekte anzunehmen. Indem wir diese Art von Aufträgen konsequent ablehnen, setzen wir ein klares Zeichen und stärken gleichzeitig unsere Position als unabhängige Dienstleister. Das muss man sich aber leisten können und auch wollen.

Darüber hinaus ist es wichtig, Vereine und Verbände zu unterstützen, die sich für die Rechte und Interessen von Selbstständigen einsetzen. Organisationen wie der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) oder der Deutscher Bundesverband für IT-Selbstständige e.V. (DBITS) leisten wertvolle Arbeit, um die Bedingungen für Freelancer zu verbessern. Durch unsere Mitgliedschaft und aktive Teilnahme in solchen Verbänden können wir nicht nur unsere Interessen vertreten, sondern auch zu einem stärkeren Netzwerk beitragen, das gemeinsam gegen ungünstige Arbeitsmodelle wie die ANÜ vorgeht.

Letztlich liegt es an uns, die Rahmenbedingungen unserer Arbeit selbst zu bestimmen und durch gezieltes Engagement unsere Unabhängigkeit und berufliche Freiheit zu wahren.

Ich bin Orell Garten, selbständiger IT-Berater und Software-Entwickler für Datenprojekte in Industrieunternehmen.

Kontakt: https://www.linkedin.com/in/ogarten/
Website: https://orellgarten.com

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Written by Orell Garten

Helping industrial companies collect and gain insights from data with custom software and data engineering. LinkedIn: @orgarten

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